Skip to main content

Kung-Fu

Was ist Kung-Fu?

Kung-Fu ist ein Begriff aus dem chinesischen Kulturraum. Er wird dort anders verstanden als hier im Westen, zumal die sprachliche Differenzierung im Zusammenhang mit der Ausweitung der Sportangebote hier inzwischen einige neue Begriffe hat entstehen lassen. Diese Begriffe und die damit verbundenen Vorstellungen stehen nun oft im Spannungsfeld zum überzeichneten Bild von chinesischen Kampfkünsten in den Hollywood-Filmen und Serien der 80er und 90er Jahre.

Auch das traditionelle Training in den alten Kampfkünsten wird dem sportlichen Trend in den auf zeitliche und inhaltliche Effizienz ausgerichteten Gesellschaften nicht gerecht. Schon allein der inhaltliche Umfang traditioneller Kampfkünste steht im Gegensatz zu dem in engen Rahmen und Regelwerk gefassten Wettkampftraining. Dies wird in den unterschiedlichen Zielen am deutlichsten, wenn auf der einen Seite der Weg als Ziel beschrieben wird und auf der anderen Seite bestimmte sportliche Erfolge erreicht werden wollen.

Der folgende Text soll hierbei eher als Diskussionsbeitrag dienen und möchten erläutern, wie wir mit den unterschiedlichen Erwartungen und Wünschen unserer Schüler*innen umgehen, was wir unterrichten und womit Interessierte in unseren Trainings rechnen können und womit nicht.


Kung-Fu – Wushu

Kung-Fu (Gōngfu 功[Kraft, Macht, Erfolg, Ergebnis] 夫[Mensch]) bezeichnet eigentlich, eine bestimmte Fähigkeit zu entwickeln, für die man viel Energie und Zeit investieren muss, und ist nicht auf Kampffertigkeiten begrenzt. So kann man z.B. das Können und die Fertigkeit eines hervorragenden Kochs als Koch-Gōngfu bezeichnen.

Im Westen vor allem durch Filme geprägt gilt Kung-Fu jedoch auch heute noch als Oberbegriff für chinesische Kampfkünste. Der allgemeine chinesische Oberbegriff für alle chinesischen Kampfkünste ist aber ursprünglich Wushu (武术). Mittlerweile wird jedoch auch in China der Begriff Gōngfu (功夫) vermehrt verwendet, um die traditionelle Kampfkunst vom modernen Kampfsport, dem wettkampforientierten Wushu (Modern Wushu) begrifflich zu trennen.

Wushu (武[Kampf] 术[Kunst])bedeutet Kampfkunst oder Kampftechnik. Das Schriftzeichen Wu 武 entsteht aus den beiden Logogrammen zhǐ 止 [halten, aufhören, beenden] und gē 戈 [Helmbarte, eine antike Waffe ähnlich einer Hellebarde]. Das deutet darauf hin, dass der eigentliche Sinn und die Philosophie chinesischer Kampkünste in der Verteidigung und nicht im Angriff liegen.


Familienstile – Shaolin Kung-Fu

Menschen haben sich wohl schon immer gehauen und geschlagen und das überall auf diesem Planeten. Irgendwann wurde dann auch begonnen, sich diese Kampffertigkeiten gegenseitig beizubringen und weiterzuentwickeln. Wie und in welchem Rahmen das umgesetzt wurde, hing stark davon ab, welche Möglichkeiten in der jeweiligen Zeitepoche den Menschen zur Verfügung standen, welchen Gefahren (z.B. Tiere) bzw. Bedrohungen (andere Stämme, Armeen, Kämpfer, etc.) sie sich ausgesetzt sahen und welche lokalen Bedingungen (Bodenbeschaffenheit, Rohstoffe, etc.) in ihrem Gebiet herrschten.

In China entwickelten sich ab dem 2. Jhd. verschiedene waffenlose Kampftechniken wie z.B. Xiangbo und Shoubo 手搏 (ähnlich dem heutigen Sanda) oder auch Jiǎo Li 角力 (eine Art Ringen). Dem Gegenüber stand immer die Ausbildung der Soldaten der jeweils herrschenden Kaiserfamilie bzw. Dynastien. Diese sahen in den Kampffähigkeiten der Bevölkerung aber immer auch eine Bedrohung ihres Herrschaftsanspruchs und folglich wurde dem Volk das Kämpfen oft über Jahrzehnte lange Epochen verboten. Zu anderen Zeiten wiederum, z.B. während der Kriege gegen die Mongolei, wurden Kung-Fu Meister Hände ringend gesucht, um die Bevölkerung und die Soldaten im Kämpfen zu unterrichten. Es entwickelten sich also über die Jahrhunderte die Kampftechniken in der Bevölkerung und die Kriegkunst des Militärs seither nebeneinander.

Die Mönche des im 5. Jhd. entstandenen Shaolin-Kloster entwickeln ab dem 7- Jhd. einen eigenen Kampfstil und mithin die erste institutionalisierte Kampfkunst neben der militärischen Kriegskunst.

Während der Zeit des Mongolischen Kaiserreiches in der Yuan-Dynastie (13. Jhd. bis 14. Jhd.) wurden unter vielen anderen auch die Shaolin-Klöster zerstört und die Ausübung der traditionellen chinesischen Kampfkünste verboten. Erst in der anschließenden Ming-Dynastie lebten die Kampfkünste ab dem 15. Jhd. wieder auf, und im Austausch mit anderen Mönchen, reisenden Kämpfern und Kriegern und der restlichen Bevölkerung fanden die Kampftechniken der Shaolin in weiten Teilen Chinas große Verbreitung..

Im 16. / 17. Jhd. hatten sich die älteren Stile in ganz China ausgebreitet und es entstanden auch verschiedene neue Stile, die zumeist nur innerhalb der Familien von Generation zu Generation weitergegeben wurden, sog. Familienstile. Einige dieser Stile öffneten sich später im 19. Jhd. auch für Nicht-Familienangehörige und ab dem 20. Jhd. sogar für Nicht-Chinesen.

Die Kampftechniken bzw. Kampfstile gelten als Familienschätze, die es zu bewahren gilt und die nur in vertrauensvolle Hände weitergegeben werden sollen. Als später auch Nicht-Familienangehörige in den Familienstilen unterrichtet wurden, mussten sie sich erst als gute gelehrige Schüler erweisen und vor allem beweisen, dass sie vertrauensvoll und respektvoll mit dem Familienschatz umgehen werden. Wurden den Schülern in den Anfangsjahren nur die Grundlagen des Familienstils gezeigt, so wurden sie, nachdem sie sich bewährt hatten und der Meister sie für würdig befand, in die Feinheiten und „Geheimnisse“ des Stils eingeweiht. Dies ging traditionellerweise mit der Aufnahme des Schülers in die Familie des Meisters einher und wurde mit einem Schwur auf den Stil und die Ahnen besiegelt. Diesen Schwur „Bai Shi“ gibt es auch heute noch in traditionellen Familienstilen und wird ausgewählten auch aus dem Westen stammenden Schülern vom Meister angeboten.


Kampfkunst – Kampfsport

Historisch entstanden die Kampfkünste sowohl aus kriegerischen Auseinandersetzungen als auch, um sich gegen bewaffnete oder unbewaffnete Verbrecher zu verteidigen. Losgelöst davon haben sich die verschiedenen Kampfkunsttrainierenden aber auch immer schon miteinander gemessen.

In China entwickelte sich ab dem 3. Jhd. mit dem Jiǎo Li 角力 das erste mit unterschiedlichen Regeln ausgestaltete wettkampforientierte Sparring, das Wurftechniken (摔, shuāi), Schläge (打, dǎ), Fußtritte (踢, tī) und Hebeltechniken (拿, ná) beinhaltete. Die praktische Anwendbarkeit und das Trainieren des Kämpfens waren ursprünglich das Hauptaugenmerk der Kampfkünste. Daneben gab es aber schon von Anfang an auch einen spirituellen Ansatz zur Ausübung von Kampfkünsten, um durch Bewegungs- und Konzentrationsübungen die Meditation zu verbessern oder in speziellen Bewegungen (Qi Gong) selbst zu meditieren.

Erst in der Song-Dynastie (10.-13. Jhd.) löst sich das Hauptaugenmerk vom Kämpfen und die Kampfkünste werden auch zur Freude und aus gesundheitlichen Gründen ausgeübt. Gleichzeitig kommt es auch zu den ersten Wettkämpfen auf Tribünen (Leitai) sowie Vorführungen von Kampfkünstlern für Geld.

Folglich war der Kampfsport ursprünglich ein Teil der Kampfkünste bzw. ging aus ihnen hervor. Über die folgenden Jahrhunderte entwickelten sich nicht nur weitere Kampfstile, sondern es entstanden eine Vielzahl an Kampfsportarten mit unterschiedlichsten Regelwerken. Auch wurden verschiedenen Kampftechniken in den Regelwerken ausgenommen oder fokussierten nur auf bestimmte Kampfdistanzen (z.B. nur Bodenkampf, nur Handtechniken, nur Würfe, oder Kombinationen davon, etc.).

In China werden spätestens mit dem entstehen erster Sportvereine im 18. Jhd. einige Kampfkünste nur noch als Kampfsport ausgeübt. Ein Aufblühen erlebten die Kampfkünste mit dem Entstehen der Republik China 1912. Ab da kam es zu einem regen Austausch und auch zu Kämpfen mit ausländischen Meistern. Auch wurde im Bereich der Kampfkünste wissenschaftliche Forschung etabliert. Bei dieser staatlichen „Wiederentdeckung“ der traditionellen Kampfkünste wurden sie jedoch durch den damaligen Nationalismus mystisch und kulturell aufgeladen. Seinerzeit wurde das Wushu auch als Gúoshù (國術 / 国术 – „Nationale Kunst“) oder als Volksschatz bezeichnet.

Dieses mystisch verklärte Image übernahm Hollywood dankend und so entstand auch im Westen ein überzeichnetes Bild der chinesischen Kampfkünste, auf dem sich viele damalige chinesische Meister beim Unterricht der interessierten Westler ausruhten und sich das Lehren gut bezahlen ließen. Zum Großteil ging hierbei der Fokus auf das Kämpfen verloren, da den Westlern meistens nur verschiedene Kung-Fu-Formen gezeigt wurden, nicht jedoch die vielen Anwendungen der Techniken in den Formen. Dementsprechend geriet das Kämpfen als Teil der Kampfkünste auch im Westen mehr in den Hintergrund.

Aber auch in China selbst trat das praktische Kämpfen mehr in den Hintergrund, als in den 1950er Jahren Mao Zedong an die Macht kam und die Regierung der Volksrepublik China einen offiziellen Wushu Sportverband gründete. Mit der 1959 offiziellen Anerkennung des modernen Wushu („Modern Wushu“), wurde im gleichen Atemzug aber aber auch die bisherige Trennung der traditionellen Kampfkünste nach Stilen und Systemen aufgehoben und deren Praktizieren verboten. Viele Kung-Fu Meister flüchteten seinerzeit ins Ausland und nur wenige blieben in China und übten die traditionellen Kampfkünste „im geheimen“, hinter verschlossenen Türen (closed doors) aus.

Bei der Entwicklung eines Kanons für das moderne Wushu und bei deren Zusammenstellung der modernen „Standardformen“ wurde vor allem auf Aspekte der Publikumswirksamkeit (akrobatische Elemente), Körperbeherrschung und Dynamik geachtet. Die Anwendbarkeit in der Selbstverteidigung oder im Kampf sowie die in den traditionellen Kampfkünsten häufig wichtigen Elemente der Meditation, Qi Gong und philosophische oder religiöse Bezüge wurden vernachlässigt. Der Kampf in den Kampfkünsten trat also zu Gunsten des Showeffekts in den Hintergrund.

Erst mit dem Ende des maoistischen Regimes (1975) war die Praxis der traditionellen chinesischen Kampfkunst wieder erlaubt.

In den traditionellen Familienstilen ging die Ausrichtung auf den praktischen Kampf weniger stark verloren, so dass es zwischen den ursprünglichen Kampfkünsten und dem modernen Wushu über die kommenden Jahrzehnte zu einem deutlichem Bruch kam.

Erst im letzten Jahrzehnt wird auch in China die verlorengegangene Kampffertigkeit in den Kampfkünsten wahrgenommen und wieder als maßgeblicher Kampfkunstaspekt trainiert.


Modern Wushu – MMA (mixed martial arts)

Mit dem Einzug der Schusswaffen in die moderne Kriegsführung wurde der Kampf „Mann gegen Mann“ irrelevant und mithin das kämpferische Trainieren der Kampfkünste. Gleichzeitig verschoben sich auch mehr und mehr die Gründe in der Bevölkerung fürs Kung-Fu-Training hin zu gesundheitlichen oder spirituellen Aspekten.

Als im Jahre 1959 unter Mao Zedong das moderne Wushu von der chinesischen Regierung offiziell vorgeschrieben wurde, wurde auch die bisherige Trennung der traditionellen Kampfkünste nach Stilen und Systemen offiziell aufgehoben. Mithin wurden viele wichtige Elemente der traditionellen Kampfkünste wie Meditation, Qigong und philosophische oder religiöse Bezüge sowie die Anwendbarkeit der Techniken in der Selbstverteidigung oder im Kampf vernachlässigt.

In der Folge ging das Kämpfen in den traditionellen Kampfkünsten stark verloren, während sich vor allem im Westen der wettkampfsportliche Kampf wesentlich weiterentwickelte. Folglich gab es in der Anfangszeit der Mixed-Martial-Arts-Wettkämpfe kaum chinesische Kämpfer, die die traditionellen Kampftechniken im Ring überzeugend anwenden konnten.

Mit der steigenden Popularität der UFC in den 1990er Jahren, wurde dieser Mangel augenscheinlich und das einst als unbesiegbar verklärte Image des chinesischen Kung-Fu geriet ins Wanken.

Einige Familienstile konnten sich zwar den kämpferischen Aspekt ihrer Kampfkunst erhalten und geben die alten Techniken und vielen Anwendungen noch heute an ihre Schüler weiter, aber wie stark sich dabei auf den Wettkampfsport ausgerichtet wird, ist von Schule zu Schule unterschiedlich, zumal ein modernes wettkampforientiertes Training dem traditionellen Weg des Erlernen des Kung-Fu widerspricht.

In China steht seit einiger Zeit nun auch wieder der sportliche Wettkampf mehr im Fokus und wird in einigen Schulen explizit trainiert. So gibt es im chinesischen Wushu Verband IWUF nun eine klare Gruppierung in traditionellem Wushu, in dem die alten traditionellen Kung-Fu Stile zu finden sind, und das Sport Wushu, das sich in Taolu (Formenwettkämpfe) und Sanda (Kampfsport Wettkampf) unterteilt.


Selbstverteidigung

Sicherlich kann man viele unserer Techniken im Kampf einsetzen und sich damit erfolgreich gegen Angreifer zur Wehr setzen. Dennoch unterrichten wir keine Selbstverteidigung. In einem Selbstverteidigungsseminar /-unterricht geht es, unserer Auffassung nach, viel mehr darum, Gefahrensituationen zu erkennen, tatsächliche Risiken wahrzunehmen, individuelle Ängste zu analysieren und darauf aufbauend Bewältigungs- und Verhaltensstrategien zu entwickeln, die Konfrontationen vermeiden helfen und realistische Möglichkeiten in verschiedenen Situationen aufzeigen sollen. Folglich steht in der Selbstverteidigung die Kampfvermeidung im Vordergrund. Um in ausweglosen Situationen dennoch wehrhaft zu sein, werden oft auch einfache und wirkungsvolle Kampftechniken gezeigt. Diese sollten jedoch praktikabel und schnell erlernbar sein und dann auch ernsthaft trainiert werden. Oft genügen dabei ein, zwei Schlagtechniken, ein Tritt, ein Kniestoß und Grundzüge von Deckung und Bewegung.

Unser reguläres Training ist anders aufgebaut und folgt einem umfangreichen und langfristigen Ausbildungsprogramm. Dennoch vermitteln wir hin und wieder in separaten Seminaren ausgewählte Techniken, die schnell erlernbar und effektiv funktionieren und somit zur Selbstverteidigung geeignet sind.

Wer aber nur nach Selbstverteidigungsschulung sucht, sollte sich nicht auf den langen Weg im Kung-Fu begeben, sondern zielgenau ein Selbstverteidigungskurs belegen, in dem die oben genannten Risiken analysiert, Verhaltensstrategien besprochen und Kampftechniken möglichst intensiv und realitätsnah im Sparring eingeübt werden.


Was genau erwartet dich nun bei uns?

Im SCC-Berlin unterrichten wir mit dem Qi Xing Tang Lang Quan einen traditionellen Familienstil auf traditionelle Weise. Wir versuchen aber, moderne Trainingsmethoden mit traditionellen Übungen zu verbinden, die geringen Zeitkapazitäten durch effektive Trainingspläne etwas aufzufangen und individuelle inhaltliche Wünsche zu berücksichtigen. Wir versuchen, die vielen Techniken zu vermitteln und gleichzeitig die kämpferische Anwendung der Techniken zu trainieren. Dabei verstehen wir unser traditionelles Kampfkunsttraining als langen, weil umfangreichen, Weg auf dem man sich einerseits dem Kung-Fu durch eigene harte Anstrengung nähert und andererseits das Kung-Fu zu einem kommt, wenn man lange genug übt.

Prägend für unseren Stil sind dabei unter anderem die Aussagen

还得学  Hái dé xué

„Wir haben noch zu lernen!“

全联千用再一世 Quán lián qiān yòng zài yīshì

„1.000 Mal üben, damit es einmal funktioniert.“